Handynutzung beim Autofahren
Jedem ist zwischenzeitlich – manchmal aus schmerzlicher Erfahrung – bekannt, dass man als Autofahrer besser das Handy in der Mittelkonsole oder Hosen-/Jackentasche belässt, um beim Autofahren kein Bußgeld zu riskieren. Aber die Rechtsprechung ist um einiges vielschichtiger als landläufig vermutet; nicht nur das schlichte Telefonieren ist eine Ordnungswidrigkeit, sondern die Straßenverkehrsordnung (genauer § 23 Abs. 1a StVO) sieht ein Bußgeld i.H.v 60 € zzgl. einem Punkt immer dann vor, wenn das Handy auch im Straßenverkehr benutzt wurde. Nach dem genauen Wortlaut der Vorschrift handelt nämlich ordnungswidrig im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon benutzt, indem er das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält; soweit der Gesetzestext.
Aber wann wird ein Handy im Straßenverkehr überhaupt benutzt? Neben dem Telefonieren stellt unzweifelhaft auch das Versenden von Kurznachrichten eine Nutzung dar, das dürfte jedem klar sein. Allgemein gesagt kann jede Handlung als Nutzung des Handys angesehen werden, welche den Fahrer daran hindert, beide Hände für die Aufgaben des Autofahrens frei zur Verfügung zu haben. So definiert es jedenfalls das OLG Oldenburg in einem aktuellen Beschluss vom 07.12.2015 (Az.: 2 Ss Owi 290/15), der letztendlich zu dem Ergebnis kam, dass auch das Aufladen eines Handies als Nutzung des Selbigen anzusehen ist und deshalb ein Bußgeld nach sich ziehen muss.
Aber auch demjenigen, der das Handy eigentlich gar nicht nutzen will, kann ein Bußgeld drohen. Das OLG Köln entschied in einem Beschluss vom 09.12.2012 (Az.: III-1 RBs 39/12), dass es für die Nutzung des Handys ausreiche, wenn der Autofahrer lediglich einen Anrufer wegdrückt.
Wenig konsequent ist in diesem Zusammenhang nach meiner Auffassung dann aber die nachfol-gende Entscheidung: Hier entschied das OLG Köln ein paar Jahre zuvor mit Beschluss vom 23.08.2005 (Az.: 83 Ss OWi 19/05), dass das bloße Verlegen des Handys im Auto - bsplw. vom Ablagefach in die Mittelkonsole - keine bußgeldbewehrte Handlung sei. Hier fällt es sogar dem langjährig erfahrenem Juristen schwer nachzuvollziehen, warum beim „Umbetten“ des Handys ein geringeres Risiko für die Allgemeinheit im Straßenverkehr entstehen soll, als wenn nur kurz ein Anrufer „weggeklickt“ wird.
Schnappschüsse mit der Handykamera während der Fahrt können ebenfalls ein Bußgeld nach sich ziehen. Laut OLG Hamburg (Beschluss v. 28.12.2015, Az.: 2 RB 86/15) umfasse der Begriff des Benutzens auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Handys (so auch schon OLG Köln, NZV 2010, 270). Da für die Kameranutzung die Funktionstasten des Handys während der Fahrt bedient werden müssen, sei von einer Nutzung von Mobiltelefonen i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO auszugehen. Anders entschied das AG Waldbröhl im Urteil vom 31.10.20214 (Az.: 44 OWi – 225 Js 1055/14 – 121/14) in einem Fall, in dem ein iPod-Touch während der Fahrt (dort als Diktiergerät) genutzt wurde. Bekanntlich verfügt dieses Gerät – jedenfalls in der neueren Generation - auch über eine Kamerafunktion. Das Gerät für sich sei aber nach Auffassung des Gerichts bereits per Definition kein Mobiltelefon, weshalb aufgrund des verfassungsrechtlichen Analogieverbots die Anwendung des Bußgeldtatbestandes bei dessen Nutzung während der Fahrt ausscheidet… und jetzt legen Sie einmal iPhone und IPod-Touch nebeneinander; Sie werden optisch nur bei genauerem Hinschauen Unterschiede ausmachen können.
Aber was tun, wenn das Handy klingelt und man nicht über eine Freisprecheinrichtung verfügt? Richtig, anhalten und erst dann zum Hörer greifen! Aber auch dabei kann man Fehler machen. Wer nämlich auf dem Seitenstreifen der Autobahn zum Telefonieren anhält, kommt laut OLG Düsseldorf ebenfalls nicht um ein Bußgeld herum. Der Seitenstreifen ist nach Ansicht des Gerichts ausschließlich für Pannen gedacht (Az.: IV-2 Ss OWi 84/04). Auch das Anhalten vor einer roten Ampel schützt grundsätzlich erst einmal für sich genommen nicht vor einem Bußgeld. Etwas anderes gilt, wenn das Fahrzeug über eine sogenannte „Start-Stop-Automatik“ verfügt und hierbei der Motor während des Telefonierens ausgeschaltet ist. Das OLG Hamm hatte vor einiger Zeit hierzu in seinem Beschluss vom 09.09.2014 (Az.: 1 RBs 1/14) festgestellt, dass die Nutzung des Handys während eines Haltevorgangs bei abgeschaltetem Motor kein Bußgeld auslöse. So sieht es schon der Gesetzeswortlaut in § 23 Abs. 1a S.2 StVO vor. Hierbei sei es sodann egal, ob der Motor manuell oder automatisch abgeschaltet worden sei bzw. ob zum erneuten Starten des Motors der Zündschlüssel oder nur das Gaspedal betätigt/die Bremse gelöst werden müsse. Auch hier sei nur maßgeblich, dass Sinn und Zweck der Verbotsvorschrift die Frage sei, ob der Fahrer beide Hände zur Bedienung des Fahrzeugs zur Verfügung habe oder nicht. Und bei abgeschaltetem Motor sei dies im Gegensatz zum laufenden Motor eben nicht notwendig.
Besonders trickreich war vor einiger Zeit ein Rechtsanwaltskollege, der sich in einem Bußgeldverfahren, welches gegen ihn selbst lief, dahingehend eingelassen hatte, er habe ein Diktiergerät und kein Handy in der Hand gehalten, da er beim Autofahren noch hin und wieder ein Schreiben diktieren würde. Wegen der Fahrgeräusche müsse er dies auch von Zeit zu Zeit ans Ohr halten, damit er den aufgesprochenen Text verstehen und danach Abänderungen aufzeichnen/verfassen könne. Der Richter verblieb ein Stück weit resigniert: Er glaubte dem Kollegen seine Erklärung zwar nicht, konnte ihm aber auch nicht das Gegenteil beweisen, so dass er das Verfahren gegen den Rechtsanwalt einstellte.
Sie sehen also: Es kommt immer auf die Besonderheiten des Einzelfalles an und gegebenenfalls kann ein Bußgeld und Punkte mit guten Argumenten abgewandt werden, so dass es sich empfiehlt anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
[RA Bödeker]
| von RA Bastian Bödeker